Angelika Hirsch: Die Wölfe von Greifswald

Drei auf einen Streich

In ihrem neuen Buch „Die Wölfe von Greifswald“, im Mecklenburgischen Spica-Verlag erschienen, verwebt Angelika Hirsch zwei, nein drei große Geschichten, dicht, sagenhaft, fesselnd, berührend.

Zunächst ist da das 13-jährige Mädchen Aslaug, das sich manchmal selbst nicht versteht, Probleme in der Schule und mit ihren Freundinnen und Feindinnen hat. Aslaug lebt mit ihrer Mutter Mor und ihrem Vater Tobias in Greifswald, ein Großelternpaar und eine Großmutter wohnen nicht weit entfernt in anderen Teilen der Stadt.

Mutter und Großmutter entscheiden sich, Aslaug die Geschichte der Frauen der Familie, eine Sage seit den frühesten Anfängen, bereits jetzt und nicht erst nach ihrem 15. Geburtstag zu erzählen. Für das Weitergeben dieser Geschichte gibt es strenge Regeln: mittwochs wird erzählt, sonntags nur in der Familie drüber gesprochen, sonst mit niemandem.

30 Wochen, in denen sich für Aslaug viel ändert, sie sich verändert. Mor begegnet diesen Veränderungen und Gefühlsstürmen weitsichtig und voller Verständnis und Vertrauen. Am Ende verliert sie aber doch einmal die Fassung.

Im Laufe der 30 Wochen, die die Familiengeschichte dauert, fängt Tobias an, über einen seiner Urgroßväter zu recherchieren. Die Schilderung, wie er vorgeht, was er erlebt, wie ausweglos scheinende Situationen sich lösen, ist ebenso fesselnd wie die Geschichte der Aslaugs.

Die Gesprächskultur in der Familie beeindruckt. Immer wieder erzählen sie einander voneinander, ihre Gedanken zu den oft gewalttätigen und brutalen Szenen der Familiensage und den ja nicht weniger erschreckenden Erkenntnissen der eigenen Familiengeschichte in der Nazizeit.

Trotz der Fülle an Fäden, Ideen und Geschichten zerfasert der Fortlauf des in Teilen real nachvollziehbaren, in Teilen märchenhaft-magischen Geschehens an keiner Stelle. Und auch die Sprache wird nie künstlich oder unnatürlich.

Das Buch ist von vorn bis hinten fast so etwas wie eine Anleitung zu verschiedenen Themen: zur Recherche einer Familiengeschichte, zum Umgang mit der Wahrheit, zum – hilfreichen – Verhalten in Konflikten, zum Umgang mit Teenagern. Die Autorin vermittelt Wertschätzung gegenüber jedem Glauben, allen Gefühlen, der Freiheit zu fragen, warum.

Ich bin begeistert und wünsche diesem Buch viele Leserinnen und Leser, nein, vielmehr wünsche ich, dass viele Menschen dieses Buch lesen.

www.grenzgaenge.de

Angelika Hirsch: Die Wölfe von Greifswald

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